Hallo mein Name lautet Gin.
Ein Teil von mir ist ganz viel wütend.
Ich könnte jetzt sagen „das ist der Widder in mir“ oder ich geb einfach zu, dass die Wut von meinem übermäßigen Bedürfnis der Gerechtigkeit kommt oder davon, dass ich in meiner Kindheit zu wenig Selbstwirksamkeit und zu viel Verzweiflung erfahren hab.
Spielt jetzt auch keine Rolle mehr woher die Wut kommt, denn nun ist sie ja da und sitzt so ungefähr mittig zwischen meinen Brüsten und dem Bauchnabel.
„Das ist unfair“ ist einer der Lieblingssätze meines Egos neben seiner Vorliebe, sich grundsätzlich gegen die anderen zu stellen und immer schön „anti“ zu sein und sowieso alles persönlich zu nehmen. Das macht mich also anti-faschistisch, anti-neues klimapaket, anti-fliegen, anti-Kapitalismus, anti-reiche touris, anti-überhaupt touris, anti-patrioten, anti-sexismus, anti-sich die Birne weg knallen, anti-Plastik, anti-Fleischessen, anti-unbewusstes Leben. Das ist die Wut. Die Wut macht mich ANTI.
WoFÜR und nicht woGEGEN ich jetzt eigentlich bin spielt da erst mal überhaupt gar keine Rolle, denn schließlich bin ich jetzt wütend und wenn man wütend ist dann hat man überhaupt keine Lust sich zu überlegen wofür man denn nun eigentlich ist, man weiß nur was man jetzt definitiv nicht will.
Und ich will nicht doof angeschaut werden und objektiviziert werden von den Männern und will nicht, dass mir gesagt wird ich soll doch einfach sagen, dass ich nen „boyfriend“ hab, weil ich hab keinen scheiß boyfriend und ich will auch keinen und außerdem bin ich sowieso poly also is das Argument fürn arsch. Mir ist klar, dass der Typ mich dann (vielleicht) in Ruhe lässt, aber nicht, weil er meine Entscheidung respektiert, dass ich jetzt keinen Bock auf ihn hab, sondern weil er meinen boyfriend respektiert, dass der nicht will dass SEIN girlfriend hier mit irgendwem anders rummacht, scheiß egal ob die das überhaupt will oder nicht – FUCK OFF. Was für ne kacksscheiße und jetz komm mir bitte nicht mit „Ja aber andere Frauen an anderen Orten haben ganz andere Probleme“ JA! Ja haben sie das is richtig – und jetzt? Macht mich das weniger wütend? Nein! Es macht mich eher noch mehr wütend!
Was mich generell immer wütend macht seit ich vor ca. 3 Jahren aufgehört hab Fleisch und tierische Produkte zu essen sind Menschen denen das egal ist. Tierwohl? Egal. Umwelt? Egal. Wollen sie alles gar nicht hören und es gibt ja sowieso nicht oft Fleisch, also die paar Tiere die dann jedes Jahr für ihren Genuss drauf gehen, machen dann ja auch eigentlich keinen Unterschied und davon, dass sich das ganze summiert wenn 100.000 Menschen das sagen, wollen sie auch wieder nichts hören.
Es ist eine miese Ungerechtigkeit und diesmal nicht mir gegenüber sondern 4.765 Tieren pro Sekunde, keine Ahnung wieviel tausend Hektar abgebranntem Regenwald inklusive Lebensraum und alle 9 Sekunden einem verhungerndem Kind. Wie man da nicht wütend werden kann, ist mir immer noch ein Rätsel.
Warum ich hier in Asien nicht 100% Vegan esse, sondern eher so 80% hat auch mit meiner Wut zu tun. Nach meiner Entscheidung jetzt endlich aufzuhören tote Tiere und ihre Produkte zu konsumieren, war ich ein Jahr lang komplett Vegan und hab mich sehr unter Druck gesetzt. Und was passiert, wenn ich mich unter Druck setze und allen anderen ist alles egal? Richtig, das ist unfair! Die Wut wird größer.
Ich brauche das, das auch-mal-drauf-kacken, zumindest hier wo man sich echt einschränken muss, wenn man tausendmal nachfragen muss und am Ende nackten Reis essen kann. Ganz ehrlich: kein Bock! Ich seh’s einfach nicht ein! (Bei zufriedenstellenden veganen Alternativen entscheide ich mich selbstredend dafür!)
Zurück in Deutschland möchte ich aber wieder Vegan sein, da gibt’s nun wirklich genug Alternativen, und auch möglichst Plastikfrei wo wir dann schon beim nächsten Thema sind.. ich glaub es hat mittlerweile jeder mitbekommen, dass unser Plastik im Meer landet und wir Ökosysteme damit zerstören. Und die Bequemlichkeit ist euch trotzdem wichtiger. Fickt eure scheiß Plastikflaschen mit Nestle Wasser in Plastiktüten! Tauchen und Schnorcheln gehen und schön noch das anschauen was ihr in ein paar Jahren mit eurem scheiß Konsum kaputt machen werdet!
Ich bin wütend auf den scheiß Kapitalismus und darauf, dass mir 5.000€ nicht reichen um mich endlich mal zu entspannen weil mir Geiz beigebracht wurde und ich immer noch nicht ganz kapiert hab, dass es einfach nur buntes Papier ist und Zahlen auf einem Konto. Es macht mich so wütend, dass es mir nicht egal sein kann weil es mir Angst macht. Weil ein Teil in mir immer Angst hat, es würde nicht reichen für die Zukunft. Dass ich nie psychisch leistungsstark genug sein werde, um genug Geld zu haben, um nachhaltig öko leben zu können und momentan natürlich so viel reisen zu können wie ich will. Wie viel denn nun genug wäre weiß der Teil natürlich nicht. Die Möglichkeit zur Not noch meinen Körper verkaufen zu können beruhigt mich – DANKE Kapitalismus, Danke für nix!
Ich schäme mich, hier zu sagen, dass ich aus Deutschland komme und es macht mich wütend, darauf anerkennende Blicke zu ernten. Es kommt mir vor als würde ich sagen „Ja HEY ich bin reicher Tourist und du? Wohnst hier ja? Ja genau ich komm aus dem reichen Land das immer noch ein Problem mit Rassismus hat und DIESES Land hier ausbeutet weil sich tausend arschlöcher an den Dingen Geld verdienen wollen die hier hergestellt werden für ungefähr nix – GEIL ODER! Und weil ich so viel Kohle hab komm ich hier angeflogen und gönn mir bisschen eure Kultur! Und kann nicht mal Hallo und Danke in deiner Sprache sagen! Nee kaufen will ich nix – low Budget (; – also byeeee“ OMG ICH KÖNNTE KOTZEN. Ohne Tourismus wären diese Länder noch ärmer und ich weiß, auch ich bin Touri, aber Touris machen mich trotzdem wütend.
Diese Konsum Reiserei, dieses von-einem-Hotspot-zum-nächsten, dieses nicht präsent sein, dieses Angeben damit wo man schon war und wovon man ein geiles Foto hat und abends mit dem Cocktail im Pool des Hotels und mit den Inlandsflügen von A nach B. Ich will euch alle gar nicht sehn.
Hallo mein Name lautet Gin.
Ein Teil von mir ist auch manchmal traurig.
Ich könnte jetzt sagen „das ist halt meine Depression“ oder ich geb einfach zu, dass die Traurigkeit von meinem Bedürfnis nach Verständnis und Mitgefühl kommt oder davon, dass ich in meiner Kindheit zu wenig Selbstliebe und zu viel Selbsthass erlernt hab.
Spielt jetzt auch keine Rolle mehr woher die Traurigkeit kommt, denn nun ist sie ja da und sitzt so ungefähr mittig zwischen meinen Schlüsselbeinen und dem Solarplexus.
Es ist oft schwierig die Wut von der Traurigkeit zu unterscheiden, vor allem weil Verzweiflung sich irgendwie anfühlt wie beides.
Ich bin traurig, wenn ich seh, wie die Gesellschaft sich verändert und wie die Menschen miteinander umgehen. Ich bin traurig darüber, dass unser Schulsystem uns nicht beibringt, empathisch zu sein und gewaltfrei zu kommunizieren. Dass wir nicht beigebracht bekommen, wie mensch auf seinen Körper hört und liebevoll mit sich selbst und anderen umgeht. Dass wir nicht lernen uns selbst zu lieben.
Hallo mein Name lautet Gin.
Ein Teil von mir ist manchmal ganz still.
Ich könnte jetzt sagen „das ist halt wenn mal alles gut ist“ oder ich geb einfach zu, dass das innerer Frieden ist oder auch das, was ich wirklich bin.
Eine stille Bewusstheit und Neugierde. Ein Staunen auf die Welt und alle Lebewesen, sogar auf die Menschen.
Der Teil lernt gerade, mitfühlend zu sein. Auch mit Menschen, die Traurigkeit oder Wut auslösen, oder beides.
Ganz oft kommt dann wieder der traurige Teil und noch viel öfter der wütende.
Aber manchmal da ist alles ganz sanft.
Dann ist da keine Wut mehr und auch keine Traurigkeit.
Dann ist da alles liebevoll.
Ich lebe.
Ich liebe.
Ich lerne.
Danke fürs lesen.