Grossstadt-chaos

Die Stadt ist viel. Vielleicht ein bisschen Zuviel für uns im Moment, aber dank des ruhigen hostels ist es aushaltbar.
Wir haben noch einiges zu tun, deswegen sind wir noch hier und außerdem haben wir uns gesagt, dass wir uns für Vietnam Zeit nehmen. Wir wollen ein 3 Monats Visum kaufen und dann mit Motorrädern in den Norden fahren. Dafür müssen wir noch einiges herausfinden und planen.

Die Stadt ist krass, es ist interessant wieder eine andere Kultur zu sehen. Wenn ich die Geschichte des Landes im Hinterkopf habe, ist es sowieso alles unfassbar. Vorallem, weil der Vietnamkrieg nicht lange her ist.
Auf der Straße sehen wir Menschen in Rollstühlen, Menschen ohne Beine, die auf anscheinend extra angefertigten Art Fahrrädern, die mit den Händen vorwärts bewegt werden können, fahren und Menschen mit riesen Köpfen, die von anderen in einem Tragetuch getragen werden. Alles Folgen der Chemie, die im Krieg verwendet wurde.
Wir sehen auch Menschen, die im Park Sport machen, Menschen die mit anderen Menschen auf Parkbänken Sitzen und reden, Männer, die auf dem Boden Spiele spielen und von anderen bejubelt werden, Menschen, die im Parkteich, der voller Müll und Seerosen ist, nach Fischen angeln und Kinder, und genauso erwachsende die Tags und nachts versuchen Kaugummis, Sonnenbrillen oder Zigaretten zu verkaufen.
Die Stadt hat viele fancy Restaurants, viele teure Hotels und auf der anderen seite eben so viel armut.
Städte spiegeln den Kapitalismus am meisten. Überall auf der Welt.

Ich schlafe derzeit lang, bis 11, habe kaum Motivation aufzustehen, weil ich nicht weiß, wo wir essen gehen sollen, weil ich nicht weiß was ich machen soll. Weil ich weiß, dass es laut ist draußen.
Mir ist bewusst, dass wir weiter machen sollten, aber momentan stecken wir einfach ein bisschen fest, weil dakota auch in Unsicherheit schwebt, er wurde beklaut und weiß jetzt nicht, ob er bleiben oder gehen soll.
Es ist wieder schwierig und ich bin sehr froh über mein Urvertrauen, dank dem ich weiß, dass alles gut wird.

Für immer Punk!

Kurz nachdem 2019 zu 2020 geworden ist, hatte ich ein Gespräch mit einem sympathischen Menschen. Er wollte mir ein Bier ausgeben, was ich abgelehnt habe, weil ich kein Alkohol trinke, stattdessen fragte er ob ich ein Wasser oder sonst was will.
Ich lehnte auch das ab, wegen dem Plastik einer einzelnen kleinen Flasche. Und dann kamen wir auf das Thema Umweltschutz und Lebensgestaltung.
Ich erzählte viel von meiner Einstellung zur Arbeit, zum Kapitalismus und erzählte, dass ich nicht auch so ein Mensch werden möchte, der sagt: „früher war ich auch mal Punk!“
Er erzählte mir dann von seinem Bruder, der erfolgreich mit viel Geld in einem büro arbeitet. Ich würde ihn wahrscheinlich genauso abfällig Anschauen, wie die anderen „kapitalistenschweine“ und würde dabei nicht sehen, dass er im Herzen Punk geblieben ist.

Ja, es gibt auch die Möglichkeit sich ins System einzuschleichen und es dann von Führungspositionen aus zu sabotieren und umzukrempeln.
Es muss nicht immer die radikale „gegen das System“ Attitüde sein, durch die mensch es sich selber schwer macht. In der Mensch viele Feinde hat und auf viel verzichten muss.
Mit dieser Einstellung mache ich mich zur Außenseiterin, zu der, die nichts mit kapitalistischen Einflüssen zu tun haben will, dann will ich kein valentinstag feiern, keine Lebensmittel einkaufen, sondern beklaue lieber die discounterkette, dann kann ich nicht mehr ins Kino gehen und darf keine Markenklamotten mehr anziehen oder?

Ich habe nach diesem Gespräch vor ein paar Tagen versucht, den Kapitalismus zu akzeptieren. Anfangs dachte ich wirklich, dass ich das kann. Ich dachte ich könnte es einfach als anderen glauben ansehen, manche glauben an Gott, andere ans Universum und die meisten Menschen eben an Geld (vielleicht auch noch zusätzlich zu einem Gott). Aber dann fiel mir wieder die Ungerechtigkeit ein, ich kann keine Meinung akzeptieren, unter der die Hälfte der Weltbevölkerung inklusive unser Planet offensichtlich leidet.
Auf der einen Seite sitzen die Menschen, die im Luxus nur so schwimmen, aber das können sie nur, weil ihnen die Entwicklung unserer Erde egal ist, und weil sie nicht Sehen, was für leid ihr Luxus auf der anderen seite auslöst.

Ich kann es mir schwer machen, weil ich nicht einverstanden bin, mit dem was der Kapitalismus anrichtet. Und ich werde mich immer drüber aufregen und es wird mich wütend machen und ich werde nicht wissen, wohin mit der Wut und ich werde unglücklich werden und immer nur sehen, was alles falsch läuft. So habe ich es die letzten Jahre getan.

Ich habe aber auch andere Möglichkeiten.
Eine, die für mich schon immer in frage kam ist, mich ganz aus dem System zu entfernen. Ich möchte kein Teil davon sein, weil ich es nicht unterstützen will und deswegen verbrenne ich meinen Pass, habe keine Krankenversicherung, lebe irgendwo zwischen Ländergrenzen in einem Wald, in einer selbst gebauten Hütte, wo ich dann versuchen muss, mich anständig zu ernähren, ohne Geld, versteht sich, weil ich auch nicht arbeite.
Mit dieser Lebensweise, werde ich vermutlich sehr einsam werden, werde aber glücklich sein, kein Teil von dem System zu sein, aber etwas ändern werde ich vermutlich nicht dadurch. Denn ich entziehe mich jeglichem Kontakt zur Gesellschaft.

Aber irgendwie hab ich doch auch eine Verpflichtung an die Gesellschaft, denn ich bin aufgewachsen in dem System, in dem Staat und konnte nur durch ihn und seine Angebote zu dem Menschen werden, der ich heute bin.
Ich will auch meine Gedanken über die Ungerechtigkeit des kapitalistischen Systems weiter an andere Menschen bringen, weil so die Wahrscheinlichkeit, dass sich was ändern kann viel größer ist.
Das heißt, ich kann arbeiten, und meine Arbeit gerne machen, und kann zum Beispiel währenddessen trotzdem ein bewusstes Leben führen, indem ich kleine Unternehmen unterstütze statt McDonalds, indem ich anderen Menschen helfe, ohne dafür was zurück kriegen zu wollen, indem ich freundlich bin, weil es mich sowieso nichts kostet…
und das muss keines Wegs heißen, dass ich das System gut finde, das kann heißen, dass ich mich nicht kaputt machen lasse, von dem Weltschmerz, von dem Ungerechtigkeitsgedanken.
Es heißt, dass ich mich auf das schöne, gute konzentriere, dass ich weiß, dass ich nicht alleine bin, und noch viele andere im Herzen Punk sind.